Verlust der deutschen Aufenthaltserlaubnis / Niederlassungserlaubnis wegen Sechs Monatsfrist oder Umzug ins Ausland (English Subtitles)

Wir möchten über die Gefahr berichten, dass die mühsam erarbeitete Aufenthaltserlaubnis ganz einfach erlöschen kann, ohne dass man es merkt. Und wenn man es merkt, ist es zu spät.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: die Tochter lebt mit Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung seit vielen Jahren in Deutschland. Nach dem Abitur geht sie nach London für ein Bachelor Studium, danach will sie Master in Deutschland weiterstudieren. Noch während des Studiums in London beantragt sie in Deutschland die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis bzw. Erteilung der Niederlassungserlaubnis. Weil sie aber zum Studium ins Ausland gezogen ist, erfährt sie überrascht, dass die Aufenthaltserlaubnis futsch ist.
Die Folgen: um die Familie zu besuchen, braucht sie Schengen Visa. Um in Deutschland weiter zu studieren, wird sie eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken beantragen müssen. Und die Wartezeit für die Niederlassungserlaubnis beginnt von vorn.

So viel zum Thema Fachkräftemangel.

Und warum ist das passiert? § 51 des Aufenthaltsgesetzes besagt: die Aufenthaltserlaubnis und sogar die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers können erlöschen, wenn der Ausländer

  1. Sich zu lange im Ausland aufhält, also die gesetzlichen Fristen zur Rückreise überschritten hat, oder
  2. seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt hat

Das Besondere: die Erlöschung tritt kraft Gesetz ein. Ein Bescheid der Ausländerbehörde mit Anhörung ist nicht erforderlich. Oft erfolgt nur eine formlose Mitteilung. Oder schlimmer noch, man merkt es erst, wenn einen der Zoll bei der Einreise am Flughafen stoppt, weil der Aufenthaltstitel annulliert ist.

Meist aber taucht das Problem auf, wenn man seine Aufenthaltserlaubnis verlängern möchte, oder wenn man Familienzusammenführung bei der Deutschen Botschaft im Ausland beantragt. Dann prüft die Deutsche Botschaft, ob die Aufenthaltserlaubnis des in Deutschland lebenden Ausländers noch gültig ist.

Erste Hinweise geben dabei zum Beispiel die Ein- und Ausreisestempel im Pass, soweit welche vorhanden sind. Oder es werden Kontoauszüge angefordert um zu prüfen, ob man in Deutschland mit EC Karte / Kreditkarte zahlt oder Geld abhebt.
Aber wie genau sind diese Voraussetzungen zu verstehen, die zum Erlöschen führen? Und was kann man dagegen tun?

1. Überschreitung der gesetzlichen Frist zur Rückkehr

Das deutsche Gesetz schreibt vor, dass Ausländer innerhalb einer bestimmten Frist nach Deutschland zurückreisen müssen, sonst erlöschen die Aufenthaltserlaubnis und auch die Niederlassungserlaubnis automatisch. Diese Frist beträgt in der Regel 6 Monate, für bestimmte Aufenthaltstitel wie Blaue Karte EU 12 Monate seit der letzten Ausreise.

Es ist also nicht so, wie oft irrtümlich angenommen, dass man sich für mindestens sechs Monate im Kalenderjahr in Deutschland aufhalten muss. Sondern die Frist wird ab der letzten Ausreise immer wieder neu berechnet.

Dies Vorschrift ist seit Ausbruch der Corona Pandemie besonders praxisrelevant geworden. Viele Ausländer konnten wegen stornierter Flüge, Reisebeschränkungen und Lock Downs nicht rechtzeitig nach Deutschland zurückkommen und haben dadurch ihre Aufenthaltserlaubnis verloren.

Doch sie hätten etwas tun können, wenn die Überschreitung der Rückkehrfrist droht. Sie haben die Möglichkeit, bei der Ausländerbehörde am Wohnsitz die Verlängerung der Frist zu beantragen. Der Antrag muss gestellt werden, bevor die Frist abläuft, zum Beispiel schriftlich per Fax.

Natürlich lauern hier weitere Probleme. Zum Beispiel: die Ausländerbehörde antwortet nicht, und die Überschreitung der Rückkehrfrist rückt näher. Spätestens dann ist es an der Zeit, den Rechtsanwalt einzuschalten.

Wichtig ist uns, dass Sie das Problem im Kopf haben und sich rechtzeitig um die Beantragung der Fristverlängerung kümmern.
Entsendet zum Beispiel ein deutscher Arbeitgeber den Ausländer für einen befristeten Zeitraum ins Ausland, so ist die Fristüberschreitung absehbar und planbar. Man kann bequem schon vor der Entsendung die Verlängerung der Frist beantragen, und sie wird erfahrungsgemäß auch oft gewehrt.

Kommen wir nun zum zweiten Erlöschungsgrund:

2. Verlegung des Lebensmittelpunktes

Das Gesetz schreibt vor: der Aufenthaltstitel erlischt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist.

Dies ist leider ein sehr unbestimmter Rechtsbegriff, insbesondere angesichts seiner Tragweite. Man kann es mit der Verlegung des Lebensmittelpunktes umschreiben, das ist aber auch nicht besser.

Besser helfen da konkrete Anhaltspunkte aus der Praxis, wie zum Beispiel
Aufnahme einer Beschäftigung im Ausland; damit meine ich nicht die Entsendung, sondern eine lokale Beschäftigung im Ausland

Aufnahme eines Studiums im Ausland; dies sieht die Rechtsprechung regelmäßig als Verlegung des Lebensmittelpunktes an; dies finde ich problematisch, weil das Auslandsstudium mit der Entsendung vergleichbar ist. Auch das Studium ist befristet, und im Anschluss ist meist die Rückkehr nach Deutschland beabsichtigt.

Weitere Tatsachen, die für die Verlegung des Lebensmittelpunktes sprechen:
Deutlich höhere Aufenthaltszeiten im immer selben Ausland im Vergleich zum Inland; also ein typischer Fall, wenn man immer zur Einhaltung der Frist für ein paar Wochen nach Deutschland zurückreist, um dann wieder für knapp ein halbes Jahr ins Heimatland zurück zu reisen.

Fehlender Wohnsitz, fehlende Krankenversicherung in Deutschland

Auch hier sollten Sie spätestens dann Kontakt mit einem Anwalt aufnehmen, bevor Sie unbedarft Auskünfte an die Ausländerbehörde geben. Denn es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob Sie sagen:

Ich bin ins Ausland gereist, um einen Familienangehörigen zu pflegen, solange er Pflege benötigt; dann: Aufenthaltserlaubnis erloschen;

Oder ob sie sagen:
Ich bin ins Ausland gereist, um die Pflege eines Familienangehörigen zu organisieren. Dann: Aufenthaltserlaubnis noch nicht erloschen.

Es gibt eine Ausnahme. Wer eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit 15 Jahren in Deutschland aufhielt, bei dem erlischt die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr. Die weitere Voraussetzung: der Lebensunterhalt muss gesichert sein. Dabei ist leider streitig, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, an dem der Lebensunterhalt gesichert sein muss. Zum Zeitpunkt des Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis? Oder wenn Wiedereinreise beabsichtigt ist? oder immer?

Die Bundesregierung plant übrigens laut Koalitionsvertrag, diese Erlöschungstatbestände abzuschaffen. So sollen insbesondere Fachkräfte und integrierte Ausländer besser gebunden werden. Die Abschaffung ist leider mit dem Migrationspaket I nicht erfolgt. Dieses hatte ich Ihnen mit einem vorherigen Video vorgestellt.

Liebe Leserinnen und Leser, falls Sie Fragen haben, kontaktieren Sie uns gerne.
Vielen Dank, dass Sie unsere Seite besucht haben. Ich freue mich, Sie hier bald wieder begrüßen zu dürfen, Ihr Rechtsanwalt Simon Sonnenberg